Der bedeutende deutsche Schriftsteller Bertolt Brecht verfasste mit seinen „Geschichten vom Herrn Keuner“ eine Sammlung lehrreicher Parabeln, die auf den Durchschnittsmenschen bezogen sind.
In „Herr Keuner und die Flut“ geht Brecht von einer alltäglichen Situation aus. Herr Keuner geht durch ein Tal, als er auf einmal bemerkt, dass er sich in trügerischer Sicherheit wiegte und das Tal eigentlich ein Meeresarm ist, er mit den Füßen im Wasser steht und die Flut naht. Doch er erkennt die Bedrohung dieser Naturgewalt nicht, bleibt einfach stehen und wartet auf Hilfe, genauer gesagt auf einen Kahn. Als er dann bemerkt, dass keine Hilfe von anderen Menschen zu erwarten ist, hofft er darauf, dass das Wasser nicht mehr steigen möge, dass sich das Problem also von alleine löst. Auch dies passiert nicht. Erst als Herr Keuner bis zum Kinn im Wasser steht, die Situation also bedrohlich und lebensgefährlich wird, beschließt er, sich selbst zu helfen und zu schwimmen. Er stellt fest, dass, sich selbst zu helfen, also selbst der Kahn zu sein, die einzige Lösung war, und dass diese sogar relativ einfach war.
Als stilistische Mittel in dieser Kurzprosa verwendet Brecht unter anderem Wiederholungen, die die Bedeutung der Worte verstärken, wie bei „blieb […] stehen“ (Z.3 und 4), wenn er das wirkungslose Warten auf äußere Hilfe verdeutlichen will und mit der Wiederkehr der Hoffnung in Zeile 5 und 6, die seine verlassen, hoffnungslose Situation hervorheben sollen. Ein anderes Stilmittel ist die Steigerung, die durch das Ansteigen des Wassers von Fußhöhe bis zum Kinn erreicht wird. Weiterhin wird ein Kontrast zwischen dem Hoffen auf einen fremden Kahn und dem Sein des hilfreichen Kahns erzeugt. Wobei der Kahn nur als Symbol für die äußere Hilfe und für die Selbsthilfe steht.
Ein deutliches Schema ist anhand der drei Lösungsversuche zu sehen. Der erste, der darin besteht, dass Herr Keuner auf Rettung von außen hofft und abwartet, bleibt erfolglos. So auch der zweite, als er darauf wartet, dass das Wasser zurückgeht. Erst als Herr Keuner im dritten Anlauf beschließt, sich selbst zu retten und das Problem selbst angeht, kommt es zur Eindämmung der Gefahr.
Solange er darauf hoffte, gerettet zu werden, blieb er gefährdet und die Situation verschlimmerte sich sogar noch. Erst als er das Problem selbst zu lösen anging, wurde er befreit. Ich denke Brecht will dem Leser mit dieser Parabel verdeutlichen, dass man, kommt man in eine schwierige Situation, sich nicht auf andere verlassen, oder das Problem nicht ignorieren soll, sondern versuchen sollte, selbst einen Ausweg zu finden. Denn die Lösung von schwierigen Situationen aus eigener Kraft ist oft einfacher und naheliegender als man denkt und meist auch effektiver.
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