„Effi Briest“ (Theodor Fontane): Vitzliputzli

Kapitel 17, S 201 (Fischer Ausgabe):
„[…] und noch fataler ist die Geschichte vom Vitzliputzli…“

Vitzliputzli (V.) ist ein Kriegsgott der alten Mayas in Mexiko. Heinrich Heine hatte ein gleichnamiges Gedicht verfasst, welches von diesem Land und der Eroberung durch die Spanier handelt.
Dieses Gedicht besteht aus 4 Primärteilen:

Präludium: Die Beschreibung des neu entdeckten Mexikos und deren Schönheit. (Vers 1 – 20)
I.: Die Nacherzählung, wie der Spanier Fernando Cortez den mexikanischen König gefangen nahm in seiner eigenen Stadt. Nachdem er in Gefangenschaft gestorben ist, griffen die Mayas in der Stadt die Spanier an. Cortez musste sich mit seinem spanischen Herr in einem Masaka durch die Stadt kämpfen, bis sie in die Freiheit gelangten. 80 Spanier wurden gefangen genommen, Hunderte kamen um. (Vers 21 – 74)
II.: Die gefangen Spanier wurden in einem kannibalisch makaberen Schauspiel auf dem Tempel des Mayakriegsgott Vitzliputzli geopfert. (Vers 75 – 112)
III.: V., der direkt mit seinen obersten Priester nun spricht, beauftragt ihn sich selbst zu erdolchen, damit er die folgenden Jahre, die kommende Niederlage gegen die Spanier, nicht miterlebt. Außerdem solle er zu Muttergöttin, die Rattengöttin gehen, welche V. den Rat gab gegen die Spanier zu kämpfen. Des weiten beauftragt er ihn ihr ausrichten, dass dieser Rat der Grund für den Untergang des Mayareiches sein wird. V. wird nun nach Europa gehen und sich verteufeln. Er will der Vorgeschmack der Hölle für die Europäer werden. (Vers 112 – 151)

Bezugnahme zum Roman:

Es gibt mehrer Hypothesen in die man dieses Gedicht Heines im Bezug auf den Roman nehmen kann. Drei sollen hier vorgestellt werden.

I. Hypothese: Crampas Weltbild im Bezug zu V.
Für Crampas ist die brutale Rache der Mayas an den Spaniern etwas vollkommen normales. (S. 211, Z 6f) Den Tod sieht er gelassen bis uninteressiert, selbst wenn es sich um seinen eigenen handelt, was an der schier gefühlslosen Art des Erzählers während des Duells ebenfalls herauszulesen ist. (S. 372f)

II. Hypothese: Innstetten und V. gleichen sich in ihren Handlungen
„Mein Geliebtes Mexiko,
Nimmermehr kann ich es retten,
Aber rächen will ich furchtbar
Mein geliebtes Mexiko.“ (Vers 151)

Dies ist der letzte Vers aus dem Gedicht von Heine, und V. letzte Worte. Er kann nicht verhindern, dass die Spanier das Mayareich untergehen lassen werden. Doch wird er im nachhinein sich an den Europäern rächen. Gleiches ist mit Innstetten (I.). Er kann nichts mehr an der tatsche von Effis untreue ändern, wird sich aber rächen. Ein Unterschied besteht hierbei, dass V. diese Rache aus freien Stücken vor nimmt. I. aber glaubt er muss sie durchführen, weil ihn die Gesellschaft dazu auffordert. (Seite 362ff) Dennoch bleibt die letzte Entscheidung, ob er es durchführt seine persönliche Entscheidung, genauso wie bei V. .

III. Hypothese: Innstettens Tugenden sind veraltet und gehören nicht mehr in das neue Zeitalter
Durch Innstettens höffliche Zurückhaltung und Tugend vereinsamt Effi und findet in Crampas eine neue lebhafte Leidenschaft. (S. ???) V. veraltete Blutopferrituale sind der ausschlagende Punkt, dass die Spanier das Mayaland überrennen werde. Hätten beide Charaktere sich der neuen Zeit angepasst, wäre es nie zu einem derartigen Desaster gekommen.

Fazit:
Crampas kurze Anspielung auf das von ihm beschriebene Gedicht Heines war bereits zu dem Zeitpunkt des Gedichtes ein versteckter Hinweis auf das kommende Duell, was ihm und alle anderen Beteiligten aber verheerender weise nicht bewusst waren.

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