„Effi Briest“ (Theodor Fontane): Wer ist der Chinese?

Das erste Mal erfährt der Leser vom Chinesen, als Effi Briest nach Kessin kommt. Sie ist erstaunt, wie viele verschiedene Menschen, verschiedener Kulturen in Kessin und Umgebung zu finden seien. Ein Chinese in diesem Gebiet scheint für die damalige Zeit etwas Besonderes zu sein, da Innstetten, nach Effis Bemerkung in der Kutsche sofort den Chinesen aufgreift, und ihr erzählt, dass es wirklich mal einen Chinesen in Kessin gegeben hat. Er ist aber mittlerweile gestorben und liegt in einem Flecken ungeweihter Erde in der Nähe der Kirche.

Innstetten möchte Effi mehr vom Chinesen erzählen, aber sie findet das zu gruselig, meint, sie würde sonst noch von einem Chinesen träumen, wie er an ihr Bett treten wird, und hält es nach Innstettens Bemerkung „Das wird er auch nicht“ noch für möglich.

In ihrer ersten Nacht in ihrem neuen Zuhause, glaubt sie Schritte, die wie Tanzen klingeln über ihrem Zimmer zu hören und fürchtet sich. Am darauf folgenden Tag, wird ihr gezeigt, dass über ihrem Zimmer tatsächlich ein großer, leerer Saal ist, die Geräusche allerdings durch das Wehen der langen Gardinen zustande kamen. Effi findet es merkwürdig, dass die gesamte obere Etage nur sehr spärlich eingerichtet ist, lediglich in einem Zimmer sind drei alte Stühle zu finden. Auf einem dieser Stühle ist ein kleines Bild geklebt, welches einen
Chinesen zeigt. Auf Effis Nachfrage diesbezüglich scheint sich Innstetten eher abweisend zu diesem Thema zu verhalten und meint Johanna oder Christel hätten das Bild dort wohl hingeklebt. Auf Effis frage, die obere Etage des Hauses auszubauen antwortet Innstetten mit einem ,Nein‘.

Ihre nächste und bis dahin schlimmste Erfahrung mit dem Chinesen hat Effi in der Nacht, als sie von Innstetten alleine gelassen wird. Mitten in der Nacht wacht sie auf und schreit, sie glaubt, der Chinese war in ihrem Zimmer. Johanna muss darauf hin die Nacht über bei ihr im Zimmer schlafen.

Am nächsten Tag bei einer Spazierfahrt kommt Innstetten dann mit der Geschichte raus, dass in ihrem Haus ein Kapitän gewohnt hat, der viele Auslandsreisen in Asien gemacht hat. Er wohnte in dem Haus mit einem jungen Mädchen – seiner Nichte oder Enkelin – und als Diener einen Chinesen. Am Tag der Hochzeit des Mädchens, tanzte sie im Saal des Hauses auch mit dem Chinesen und wurde danach nie wieder gesehen. Auch der Chinese starb 14 Tage später und wurde dem kleinen Gebiet unweit der Kirche begraben.

Mit diesen Informationen erscheint einem der Chinese als Spukgestalt im Hause Innstettens. Allerdings bleibt dabei auch zu beachten, dass der Erzähler den Chinesen nie erwähnt, sondern eben dieser immer nur in Gesprächen der einzelnen Charaktere untereinander erwähnt wird. Daher lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ob der Chinese – als Gespenst o. ä. – wirklich existiert, oder ob er nur in Effis Phantasie entstanden ist, die sich ja einerseits vor Asiaten fürchtet aber andererseits, in ihren kindlichen Phantasien, ihr Schlafzimmer fernöstlich-romantisch eingerichtet haben wollte.

Im Nachhinein könnte der Chinese ein Symbol für Effis Leben sein, auch sie kam in eine fremde Welt durch die Heirat mit Innstetten, bekam nie wirklich viel Beachtung, fühlte sich ausgegrenzt und starb alleine.

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