Interpretation: Schillers „Maria Stuart“ (Szene II, 5)

1.) Verfassen Sie eine zusammenhängende Interpretation der Szene II, 5 unter
Zuhilfenahme Ihrer Stunden- und Hausaufgabe.

Verwendetes Material:

http://gutenberg.spiegel.de/schiller/stuart/maria25.htm

In der Szene II, 5 in Schillers Drama „Maria Stuart“ aus dem Jahre 1801 treten Mortimer und Elisabeth im Palast zu Westminster auf, nachdem Elisabeth einen Brief von Maria aus der Hand Mortimers, der Maria bei ihrer Flucht unterstützen will, erhalten hat. Nachdem sie in der fünften Szene Mortimer von ihrem Gewissenskonflikt erzählt hat, verspricht er ihr, Maria zu töten und so die öffentliche Hinrichtung zu umgehen. Im weiteren Verlauf des Dramas wird er jedoch Maria erzählen, dass er dadurch nur Zeit für ihre Flucht gewinnen wollen habe.

Elisabeth zeigt die Besonderheit dieser Stelle gleich zu Beginn der Szene. Das forsche „Abschätzen“ ihres Gegenübers lässt vermuten, dass sie Mortimer einzuschätzen versucht und scheinbar über die optimale Vorgehensweise nachdenkt. Sie steigt dann geschickt in das Gespräch ein, indem sie für sie vorteilhafte
Eigenschaften Mortimers wie z. B. Mut und Beherrschung (vgl. V. 1572 f.), später schneidet sie einige Vorurteile für den Lebensweg, resultierend aus diesen Eigenschaften, an. Mortimer reagiert dagegen auf diesen Einstieg etwas merkwürdig: Er redet sie zwar sehr respektvoll an, aber duzt sie andererseits auch. Entweder hat er Elisabeth durchschaut und versucht, sie durch diese vertraute Anrede zu ermuntern, oder dies ist ein Versuch Schillers, die im folgenden noch erläuterte Doppelrolle Mortimers einmal mehr zu festigen. In ihrem folgenden Part bleibt Elisabeth bei der respektvollen Pluralanrede in der 2. Person. Sie klagt Mortimer ihr Leid, offensichtlich zwecks der Erregung von Mitleid und der indirekten Bitte um Unterstützung.

Zur Untermalung ihres Wunschdenkens gibt sie an, ihre Krone wackele so lange „sie lebt“ (V. 1587) und damit England in zwei Lager spalten und damit natürlich auch das Ansehen ihrer selbst gefährden. Mortimer wendet kurz und diplomatisch ein, dass Maria auf ihren Befehl sofort getötet würde. Er weiß also um die Macht der Königin. Da er dies aber anbringt trotz der Gefahr, dass Elisabeth seinen Vorschlag umgehend in die Tat umsetzen könnte, scheint seine Menschenkenntnis oder auch seine Intuition ihm von dem Gewissenskonflikt Elisabeths Kenntnis
genommen zu haben. Diesen Gewissenskonflikt bringt Elisabeth, offensichtlich in der Absicht, Mortimers Einstellung zu hinterfragen, zur Sprache. Sie will Maria beseitigen, aber ohne sich dabei selbst Schuld aufzuladen: „Ich muss die Vollziehung anbefehlen (…) und kann den Schein nicht retten.“ (V. 1595/1598)

Mortimer ruft ihr ihre Machtposition ins Gedächtnis. Dem unwissenden Leser wird auffallen, dass Mortimer sie bei beiden Parteien ins rechte Licht rückt. Die Absicht dessen bleibt jedoch genauso wie seine Figur erst einmal im Verborgenen. Er spielt eine zunächst undurchschaubare Doppelrolle. Elisabeth liefert später
den perfekten Köder für Mortimer, als sie die Dunkelheit und damit das nicht-sehbare und nicht-nachweisbare Dunkel als einzige Möglichkeit zur Beseitigung Marias darstellt. Auch hier ist gut zu erkennen, dass sie in jedem Fall ihr Ansehen wahren und wieder herstellen möchte. Mortimer, der sie forschend weiter zu ähnlichen Äußerungen und einer klaren Aussage bewegen will, wird von Elisabeth in Vers 1610 unterbrochen und aufgefordert, seinen Gedankengang weiter auszuführen. Die Richtung des Gesprächs scheint Elisabeth zu
erregen. Sie bereut außerdem, Mortimers Onkel von ihrem Plan berichtet zu haben. Mortimer entschuldigt dessen Vorhaben und gewinnt dadurch wieder einige
Pluspunkte.

Nebenbei geht er auch auf die Eigenschaften ein, mit denen Elisabeth die Initiative ergriffen und das Gespräch eingeleitet hat. Dass beide Personen sich gegenseitig wiederholt ins Wort fallen zeigt, dass ihre Unruhe im Grunde immer mehr ansteigt. Sie findet ihren vorläufigen Höhepunkt schließlich dem Angebot Mortimers Maria zu töten und dadurch Elisabeths Namen rein zu behalten. Elisabeth scheint zufrieden mit der Wendung des Gesprächs und nimmt Mortimer in Vers 1624 das Versprechen ab, ihr die Unruhe angesichts ihrer zwiespältigen
Situation in kurzer Zeit zu nehmen. Elisabeth zeigt sich daraufhin sehr dankbar bevor sie – allerdings ohne Abschiedswort – das Szenario verlässt.

In dieser Szene fällt besonders die Doppelrolle Mortimers auf, der allerdings für Elisabeth nur Mittel zum Zweck zu sein scheint. Ihre Moralvorstellung scheint sich eher in Schein und Sein aufzuspalten: Einerseits ersehnt sie den Tag, an dem ihre Rivalin um die Krone nicht mehr ist, anderseits will sie sich auch die Hände nicht beschmutzen. Aber in diesem gelungenen Dialog erreicht Mortimer sein für den Zuschauer nicht ersichtliches Ziel, Zeit für die Rettung Marias ebenso wie das Vertrauen der Königin zu gewinnen, ebenso wie Elisabeth, die Mortimer nur als Mittel zum Zweck zu nutzen scheint. Alles in allem kommt bei beiden beteiligten Personen eine „gespaltene“ Persönlichkeit zum Vorschein, die von enormer Wichtigkeit für den weiteren Verlauf der Handlung sein dürfte.

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