Analyse: „Lärmender Sand“ (Oliver Kuna)

Lärmender Sand

Kein Geräusch mehr
Auch die Giganten – fort.
Gelbes Licht färbt die Szene
Nur noch Staub und Spuren
Erinnern an vorher.

Lautes Beben und überall die Giganten
Wozu? fragt man sich und weiß die Antwort.
Denkt an morgen, denkt an später
Bald – so glaubt man – ist alles vorbei.

Stunden später – Stille
Doch sieht man ihn vor sich
Den lärmenden Sand.
Was nahm er der Natur
Was wird er ihr geben
Ein Haus – endlich Ruhe?

Oliver Kuna, 2000

Inhalt:
In dem Gedicht „Lärmender Sand“ wird zu Beginn ein staubiger, mit Sonnenlicht erhellter Ort beschrieben. Dieser ist der Bildimpuls, der mich an das erinnert, was vorher an diesem Ort passiert ist. Die noch sichtbaren Spuren der Giganten, die sich aus dem Kontext heraus als Baufahrzeuge bestimmen lassen, sind ausschlaggebend für dieses Zurückerinnern. Nach einer knappen Beschreibung des Ortes, wie er normalerweise aussieht, folgt die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Sinn des Ortes, der schon jetzt als Baustelle erkannt werden kann. Mit Fragen nach dem Sinn der Baustelle, ihrer Zukunft und einer Hoffnung auf Ruhe schließt die zweite Strophe.

Diese Hoffnung wird im Folgenden erfüllt – zumindest sieht es für mich zuerst so aus. Die Gedanken an den lärmenden Sand (die Baustelle) bleiben jedoch. Schließlich endet das Gedicht mit einer offenen Fragestellung, ob das Bauziel (ein Haus) wirklich die erhoffte Ruhe bringen wird.

Form / Analyse:
Das Gedicht „Lärmender Sand“ besteht aus drei Strophen, die sich aus je fünf, vier und sechs Versen zusammensetzen. Anlass zum Schreiben des Gedichtes bot nicht etwa eine bestimmte Intention, die dem Leser vermittelt werden sollte, sondern vielmehr ein realer Bildimpuls, d. h. das Betrachten eines bestimmten Ortes hat mich zum Nachdenken und Erinnern animiert.

Dadurch zeichnet sich im Aufbau des Gedichts ein lineares Vorgehen ab. Ausgangspunkt ist eine ruhige, leere Baustelle. Die auf ihr befindlichen Spuren regen zum Nachdenken in der zweiten Strophe an, was durch Z. 5 („Erinnern an vorher“) eingeleitet wird. Die zweite Strophe und auch Teile der dritten (Z. 12) sind vorrangig durch Hektik und Lärm geprägt. Beide Elemente sind jedoch nur Erinnerungen, da die Baustelle zum Zeitpunkt des Betrachtens bzw. Schreibens ja leer ist. Die dritte Strophe fasst den „Ruhe-Gedanken“ vom Anfang, also vielmehr die reale Betrachtung der Szene, wieder auf. Letztendlich wird sie jedoch in ein kritisches und zugleich unklares Zukunftsdenken gelenkt, die Unsicherheit lässt sich besonders am letzten Vers „Ein Haus – endlich Ruhe?“ (Z. 15) festmachen.

Zur formalen Gestaltung des Gedichts ist noch hinzuzufügen, dass auf bestimmte Beobachtungen und Gedankengänge jeweils ein Ereignis oder eine mit nur einem oder wenigen Worten formulierte Schlussfolgerung anschließt (Bsp. Z. 2: „Auch die Giganten – fort“). Meist sind diese Gedanken-Paare an einem Gedankenstrich erkennbar. Obwohl dem Gedicht ja ein Bildimpuls zugrunde liegt, fällt auf, dass geräusch- oder gehörbezogene Wörter den Text prägen (Z. 1: „Kein Geräusch“; Z. 6: „Lautes Beben“; Z. 10: „Stille“; Z. 12: „lärmende“; Z. 15: „Ruhe“). An diesen Wörtern lassen sich auch Bezüge festmachen. So wird derselbe Zustand in drei verschiedenen Versen jeweils mit unterschiedlichen Formulierungen dargestellt (Z. 1: „Kein Geräusch mehr“; Z. 10: „Stunden später – Stille“; Z. 15: „Ein Haus – endlich Ruhe?“). Lediglich die Zeitbezüge weichen in diesem Beispiel stark voneinander ab. Auffällig ist jedoch, dass in der dritten Strophe jeweils der erste (Z. 10) und der letzte (Z. 15) Vers mit zwei synonymen Wörtern enden (Stille / Ruhe). Zeitbezüge lassen sich immer an bestimmten Wörtern festmachen, die zumeist am Ende eines Verses stehen (Bsp. Vergangenheit: „vorher“, Z. 5; Zukunft: „später“, Z. 8).

Stilistisch weist das Gedicht an mehreren Stellen auch Bildcharakter auf, d. h. es werden Formen des lyrischen Bildes verwendet. So ist beispielsweise das bereits erwähnte Symbol „Giganten“ (Z. 2 + 6) vertretend für den wenig lyrischen Ausdruck „Baufahrzeuge“ verwendet worden. Festmachen lässt sich dies z. B. an dem Zusatz „lautes Beben“ (Z. 6) im Kontext mit der Baustelle. Die für die Baustelle selbst verwendete Formulierung „lärmender Sand“ (Titel und Z. 12) lässt sich als Chiffre bestimmen.

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